Ich trat ein, ich wusst nicht wo, und blieb auch ohne Wissen,
alles Wissen übersteigend.
Wo ich eintrat, wusst ich nicht. 
 Doch als ich mich dort gewahrte, ohne Kenntnis meiner Bleibe,
hörte ich von großen Dingen.
Was ich hörte, sag ich nicht. Blieb ich doch ganz ohne Wissen,
alles Wissen übersteigend.
Frieden war es mit Gott und Welt, wovon ich zutiefst erfuhr
ganz allein in meinem Herzen.
Klar ward mir der rechte Weg. Alles war so voll Geheimnis,
dass ich nur noch stammeln konnte,
alles Wissen übersteigend.
Trunken war ich, wie von Sinnen, hingerissen, außer mir.
Blieb dabei doch mein Empfinden jeglicher Empfindung bar.
Und der Geist sah sich beschenket mit Verstehen, das nicht verstand,
alles Wissen übersteigend.
Jeder, der dorthin gelangt, wird ganz irre an sich selbst.
Alles, was er vorher wusste, scheint ihm jetzt verschwindend klein.
Und sein Wissen wächst so sehr, dass er ohne Wissen bleibt,
alles Wissen übersteigend.
Doch je höher man dort steigt, desto weniger versteht man, 
dass die dunkle Wolke kommt, um die Nacht zu erhellen.
Wer sie kennt, die dunkle Wolke, der bleibt immer ohne Wissen,
alles Wissen übersteigend.
Dieses Wissen, das nicht weiß, ist von großer Mächtigkeit,
und die Weisen können nie denkend sich´s zu eigen machen.
All ihr Wissen reicht nicht hin, nicht verstehend zu verstehen,
alles Wissen übersteigend.
Jenes allerhöchste Wissen ist so überhoch erhaben,
dass kein Können und kein Wissen jemals es begreifen kann;
nur wer selber sich besiegte durch ein Wissen, dass nicht weiß,
wird´s für immer übersteigen.
Doch wer hören will, der höre:
Dieses allerhöchste Wissen ist Empfinden hoch erhaben
Gottes eig´ner Wesenheit;
diese wirkt in ihrer Güte und lässt nicht verstehend bleiben,
alles Wissen übersteigend.

(Johannes vom Kreuz, 1542-1591, Entrückung in Granada)